MARIA EHRICH ÜBER IHRE VERFILMTE WELTREISE OHNE DREHBUCH

Wenn wir alle nicht so verbissen wären, würden wir tun, was Maria getan hat. Wir Menschen neigen dazu, in einem geschlossenen System und einer gewohnten Umgebung Sicherheit zu empfinden. Diese vermeintliche Sicherheit hindert uns daran, die Komfortzone zu verlassen. Doch oft tragen wir dieses tief verankerte Gefühl in uns, dass es da draußen noch so viel mehr zu sehen, erleben und entdecken gibt. Trauen wir uns über den Tellerrand zu blicken? 

Maria Ehrich, Schauspielerin, hat es gewagt und mit ihrem Freund Manu die Welt bereist. Was sie dort alles erlebt haben, werde ich morgen am 24.09.2019 auf der Kinopremiere sehen und bin schon total gespannt. Ihr könnt ab Oktober dann „Leaving the Frame – eine Weltreise ohne Drehbuch“ im Kino anschauen. Das gleichnamige Buch ist bereits seit August im Handel erhältlich. Ich hatte die Ehre und durfte mich hierzu im Vorfeld mit Maria austauschen. 

Wir saßen zusammen in einem Café in Schöneberg in Berlin und haben über das Leben, das Sein, das Reisen und unser wirtschaftliches sowie politisches System in Deutschland philosophiert. Ich empfehle, das Interview auszudrucken. Streicht euch die Passagen an, die euch inspirieren und motivieren oder speichert das Audio und hört immer wieder rein, wenn ihr Mut und Inspiration für Neues braucht.

Konsequenzen, Stress, Mut, Neugier – was sind Deine Gedanken zu der Auflistung dieser Wörter? 

Gesellschaftlich gesehen landen wir oft im Stress, das habe ich auch nach meiner Reise wieder gemerkt. Den ersten Monat war ich total entspannt und dann kam der Alltag. Die Konsequenz ist für mich immer wieder den Kopf neu zu ordnen. Ich möchte anders leben, anders sein. Ich glaube man muss es rückwärts angehen: wenn die Neugier das ist, was einen antreibt und nicht der Stress, dann überwiegt der Mut, sich dem Alltäglichen zu stellen.

Warum schaffen wir Menschen uns selbst ein System, in dem wir jeden Tag wie ein Hamster strampeln? 

Mehrere Generationen aus Freidenkern lassen sich nicht so gut lenken und ich glaube auch, dass Gesellschaften Systeme brauchen. Ich sehe es immer frei nach dem Motto „Trial and Error“, was „Versuch und Irrtum“ bedeutet. Das kann man über die Geschichte hinweg ganz gut nachvollziehen. Ideen von Mächten, Führern oder Politikern funktionieren eine Zeit lang und geben den Menschen Antworten und Halt, bis dieses aufgebaute System irgendwann scheitert und in sich zusammenbricht. Daher sind Systeme eher ein ständiges Neuordnen. 

Stehen Wirtschaft und Geld im Kontrast zur Freiheit? 

Ich glaube schon, dass es Synergien gibt, wenn man Wirtschaft und Geld richtig einsetzt. Beides hat die Menschheit schon immer vorangebracht. Trotzdem sind Macht und Geld in den falschen Händen ein Problem. 

Warum sind wir Menschen so melancholisch, blicken gerne in die Vergangenheit zurück und hoffen stets auf eine bessere Zukunft? 

Wenn wir zurückblicken, vergessen wir gerne die Dinge, die nicht so toll gelaufen sind. Auch in unserer Kindheit hatten wir Stress und Ängste und haben uns mit diesen Gefühlen identifiziert. Ich glaube, man muss immer bei sich bleiben. Man weiß ja nicht was morgen ist, daher sollte das Hier und Jetzt entscheidend sein. 

Was sind die Folgen, wenn wir unser Leben zu verkrampft gestalten? 

Manche können damit gut umgehen, bei mir war es nicht so. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich nicht immer weiter in die Richtung gehen möchte, in der ich ja schon war. Was wäre wenn? Das Verkrampfte ist das, was viele Menschen so unglücklich macht, mich eingeschlossen. Nicht jeder kann es sich jedoch leisten auf eine Weltreise zu gehen, dessen bin ich mir auf jeden Fall bewusst. Aber jeder sollte gewisse Schutzräume für sich entdecken, in denen man seine Kreativität ausleben kann und so zu sich selbst findet. 

Wie findet man denn, wer man ist, wenn man immer in einer gewissen Struktur lebt? 

Super schwierig! Aber Reisen hilft hier auf jeden Fall, es muss ja nicht die große weite Welt sein. Ich denke, jeder Mensch braucht einen Zeitraum, in dem er richtig ausbrechen kann, in dem man sich selber auch entdecken kann. Freies soziales Jahr, zwei freie Wochen, in denen man alle Bücher liest, die einen interessieren…

Was war auf deiner Reise, der Punkt, wo du dachtest, so fühlt sich Freiheit an? 

Ich fand es immer ganz bezeichnend in ganz großer und wunderbarer Natur zu stehen. Ich war viel mit meinen Filmteams unterwegs und da waren wir auch an den unglaublichsten Orten. Aber am schönsten waren die Momente alleine, wenn der Blick in die Ferne ohne Kamerateam im Nacken stattfand – da konnte ich richtig loslassen und allen möglichen Gefühlen begegnen.

Alleine und einsam sein ist auf jeden Fall ein Unterschied und man verwechselt das schnell. Obwohl ich einen dieser Momente als frei und vollkommen empfunden habe, hatte ich gleichzeitig großes Heimweh. Ich kann bis heute nicht beschreiben, was da passiert, denn ich kann Fotos und Videos machen, ich kann es erzählen, aber es wird niemals so rüberkommen, wie ich es erlebt habe. In dem Moment überkam es mich irgendwie – traurig und melancholisch und ganz toll zugleich. 

Wie schafft man es auf so einer intensiven Reise immer wieder offen und neugierig auf Leute zuzugehen? 

Ohja, ich bin von Ort zu Ort, von Geschichte zu Geschichte gereist und Manu war immer mit der Kamera dabei. Da habe ich oft auch darauf geachtet, wie ich nun aussehe oder mich besser geben sollte. Das fühlte sich am Anfang noch sehr verkrampft an. Aber irgendwann kam der Moment, da habe ich losgelassen, die Kamera nicht mehr wahrgenommen und mich zu 100% auf die Menschen und Geschichten konzentriert. Plötzlich war es authentischer, weil ich ich selbst war. Wenn man es schafft, sich selbst etwas weniger Beachtung zu schenken, hat man unglaublich viel Energie all das Erzählte der Person gegenüber aufzunehmen. Wir müssen nicht immer alles bewerten und ausklamüsern, sondern in dem Moment das Vertrauen der Person, die man gegenüber hat als Geschenk betrachten. 

Deine Highlight Station auf der Reise?

Neufundland hat mich wirklich überrascht, der letzte Stopp auf unserer Reise. Die Insel ist der östlichste Punkt Amerikas. Es ist so verrückt dort: Eisberge schwimmen vorbei und die Häuschen sehen alle skandinavisch aus. Diesen Ort hätte man sich nicht besser ausdenken können. In jedem Fall möchte ich Neufundland noch einmal besuchen, da es so viele wunderschöne Eindrücke waren, die man nicht alle in Gänze wahrnehmen und vor allem genießen konnte.

Pläne schmieden oder auch loslassen und sich treiben lassen? 

Manu ist vorher schon viel gereist und für mich war es am Anfang schwieriger von den Plänen abzuweichen. Der größte Dreh- und Angelpunkt der Reise, war der Kauf des Käfers in Mexico, was überhaupt nicht geplant war. Wir waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits drei Monate unterwegs gewesen und gerade an dem „See der sieben Farben“ vorbeigekommen. Dort verspürte ich dieses vorhin erwähnte Heimweh. 

Natürlich stellte ich mir viele Fragen: ob ich überhaupt so lange weg sein kann, was ist mit der Schauspielerei, meinen Aufträgen, gerate ich in Vergessenheit? Das typische „Hamsterraddenken“. Manu hat mir in dem Moment die Angst genommen und meinte das Heimweh auf so einer Reise ganz normal ist, aber die größten Abenteuer im Verborgenen liegen. 

Auch wir kamen innerhalb unserer Beziehung an unsere Grenzen und erlebten Tiefpunkte, hinterfragten unser Zusammensein. Im Nachhinein sind wir beide daran aber gewachsen und vor allem auch zusammengewachsen. Extreme Situationen verlangen eben extreme Gefühle von einem ab, aber genau hier entwickelt man sich selbst unglaublich weiter. 

Nachhaltigkeit – was passiert in deinem Kopf, wenn du die schöne, weite und unberührte Natur siehst, aber gleichzeitig die Schlagzeilen zur Umwelt in den Medien verfolgst? 

Ganz viel. Dazu muss ich sagen, wir sind viel geflogen, wir haben uns dieses Auto gekauft und etliche Kilometer hinter uns gebracht. Das war 2018 und ich würde diese Reise so jetzt nicht noch einmal machen. Für die Zeit war es wunderschön und ich halte es ganz fest in meinem Herzen, aber nur ein Jahr und meine Gedanken, Gefühle und Ideen darüber haben sich komplett geändert. Eben auch durch diese Reise. 

In Kenia haben wir ein Meeresschildkröten-Schutzprojekt besucht und die Verantwortlichen der Organisation haben uns darüber aufgeklärt, dass beim Shrimpfang kiloweise Beifang dabei ist, von Delfinen bis zu Schildkröten. Diese verhaken sich in den Netzen und für die Fischer ist es günstiger die Tiere zu töten und zurück ins Meer zu schmeißen, als das Netz zu zerstören, welches sie zum Fischen und Arbeiten brauchen. Die Organisation rettet diese Tiere, indem sie diese freikaufen. Unter anderem bedingt durch die Überfischung und die ganzen Chemikalien, die achtlos ins Meer gespült werden wachsen Tonnen von Seegras, die an den Strand angespült werden somit gerät das Gleichgewicht der Ozeane außer Kontrolle. 

Wir Menschen stecken in Systemen und sind ja nicht von Grund auf böse. Aber man sollte dann in sich hinein hören und sich fragen, was für eine Auswirkung das eigene Handeln hat – wenn ich mit meiner Nachfrage ein Angebot an zum Beispiel Shrimps fordere.

An jedem Punkt unserer Reise haben wir das gemerkt und gespürt. Daher ist es gar nicht verkehrt einfach mal loszugehen, um eben das Mindset auf einen neuen Stand zu bringen. Ich habe früher viel Fleisch gegessen, jetzt interessiert mich das gar nicht mehr und ich ernähre mich mittlerweile vegan. 

Wie ist das Leben seit der Rückkehr in Berlin? 

Ich mag Berlin ja total gerne, da man sich hier Stadt und Natur gleichermaßen zu Nutze macht. Ich gehe gerne mit meinem Hund in den Wald, mag aber auch das Leben in der Stadt und im Kiez. Außerdem habe ich gelernt, dass ich immer wieder weg kann und ich muss keine Angst mehr davor haben, danach „weg vom Fenster“ zu sein.

Tipp, der Mut macht: 

Das Universum gibt uns immer die gleiche Aufgabe, bis wir sie wirklich gelöst haben. All das, was uns nervt und wovor wir Angst haben, das wird uns immer wieder begegnen. Mach das, was du unbedingt schon immer machen wolltest, jetzt. Was kann schon schief gehen? Alles und nichts. 

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4 Kommentare

  1. Tamina
    23/09/2019 / 9:44

    Einfach mal nur danke, liebe Kim…..für dieses Inspirierende Interview mit zwei tollen Frauen.

    • Kim
      Autor
      23/09/2019 / 9:46

      Liebe Tamina,

      vielen Dank für deinen schönen und lieben Kommentar zu unserem Gespräch.

      xx Kim

  2. Lory
    24/09/2019 / 9:38

    Liebe Kim,
    dein Interview mit Maria Ehrlich habe ich mit großem Interesse gelesen! Ihr habt genau die brennenden Themen der Zeit und des Lebens an sich aufgenommen. Tiefgehende Fragen, die du da gestellt hast, und inspirierende Antworten einer sensiblen und bewussten jungen Frau! Auf den Film bin ich sehr gespannt, den werde ich auf jeden Fall anschauen. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.
    Love, Lory

  3. 24/09/2019 / 14:12

    Wow spannendes Interview und sehr inspirierend – mehr zu reisen, merh zu reflektieren und auch mal inne zu halten 🙂

    xxx
    Tina

    https://styleappetite.com

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